Projektidee

Global betrachtet zeichnete sich zu Beginn der 1990er Jahre und dabei insbesondere mit der Verbreitung des Internets bzw. insbesondere des World Wide Web ein wesentlicher Umbruch ab: die ‚digitale Revolution‘. Damit wurde der Grundstein für einen bedeutenden Prozess gesellschaftlichen Wandels gelegt, dessen Dynamik jede bisherige Modernisierung zu übertreffen scheint und dessen Entwicklung nur schwer zu prognostizieren ist. Diese ‚Revolution‘ geschah etwa zeitgleich zu den verschiedenen ‚Revolutionen‘ in früheren staatssozialistischen Ländern und fügte dem bereits stattfindenden grundlegenden politischen und ökonomischen Wandel eine weitere Dimension hinzu. Wie dieser Wandel konkret zustande kommen konnte soll am Beispiel der Region Südosteuropas seit Ende der 1980er Jahre erforscht werden. Im Mittelpunkt des Vorhabens stehen die Staaten und Gesellschaften des ehemaligen Jugoslawiens, Bulgarien und Rumänien, während andere Beispiele aus der Region nur punktuell behandelt werden. Mittels eines akteursorientierten Ansatzes und die Besonderheiten der bestimmten ‚Geographie des Digitalen‘ fokussierend soll die zentrale Forschungsfrage beantwortet werden, wie, unter welchen Umständen, von welchen Akteuren und mit welchen Implikationen für den gesamten gesellschaftlichen Wandel die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien in der Zeit vom Ende der 1980er Jahre bis um die Jahrtausendwende in Südosteuropa entwickelt, angeeignet und etabliert wurden.

Ziel des Vorhabens, das sich als Beitrag zur Neueren und neuesten Geschichte und zur Südosteuropäischen Geschichte versteht, ist eine Geschichte der Anfänge des ‚digitalen Zeitalters‘ in Südosteuropa. Der Entwicklung des neuen „digitalen Südosteuropas“ folgend, werden dabei folgende Aspekte bzw. Bereich gesellschaftlichen Lebens thematisiert: (1) Hochschulen als Entstehungsorte neuer Technologien und des entsprechenden Wissens, (2) die sich neu entfaltende (Markt-)Wirtschaft mit neuen IT-Unternehmen, (3) die Politik als Kontext wie als Schauplatz auch digital ausgetragener Machtkämpfe, (4) die Medienlandschaft zwischen Demokratisierung und technologischen Innovationen und (5) die neue Zivilgesellschaft zwischen „digitaler Experimentierfreudigkeit“ und strategischem Handeln. Zur Untersuchung dieser Forschungsfelder und zur Beantwortung der zentralen Fragestellung werden nebst üblicher Quellen und ‚klassischer‘ Methoden vorwiegend digitale Quellen und Ressourcen herangezogen. Eine solche Geschichte einer ‚(digitalen) Revolution während der (demokratischen) Revolution‘ in Südosteuropa kann sich als ein höchst aufschlussreicher Weg erweisen, sowohl die Geschichte des gesellschaftlichen Wandels seit Ende der 1980er in dieser Region allgemein neu zu denken, als auch den abstrakt oder theoretisch bereits vielfach geführten Diskussionen über diverse Phänomene des ‚digitalen Zeitalters‘ eine weitere solide empirische Grundlage zu bieten.